19.10.2023

Rede von Stadtrat Michael Schrade
Freie Wähler Gemeinderatsfraktion Stuttgart anlässlich der der allgemeinen Aussprache zum Doppelhaushalt 2024/2025 im Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart 19. Oktober 2023

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr geehrten Damen und Herren!

Der Doppelhaushalt, den wir in diesem Herbst beraten, steht in einer ganzen Reihe von Haushalten, die wir im Laufe der Wahlperiode bereits beraten und beschlossen haben. Seit 2019 gab es ja nicht nur die beiden regulären Doppelhaushalte, sondern auch vier Nachtragshaushalte, anhand derer deutlich wird, dass die letzten Jahre turbulent waren.

Zudem – auch darauf will ich hinweisen – haben wir in der jüngeren Vergangenheit außerhalb von regulären Haushaltsplanberatungen Beschlüsse gefasst, die den Stadthaushalt gehörig belasten werden.

  • Wir haben beschlossen, die SSB mit 100 Millionen Euro pro Jahr zu unterstützen, um den klimafreundlichen ÖPNV zu verbessern, weiter auszubauen und damit attraktiver zu machen.
  • Wir geben 300 Millionen Euro aus, damit die Stadtwerke Stuttgart die Energiewende vorantreiben können.
  • Die SWSG erhält 200 Millionen Euro, damit sie ihren Gebäudebestand energetisch ertüchtigen und gleichzeitig neue Wohnungen bauen kann.
  • Und wir haben das kostenlose 49-Euro-Ticket für alle städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschlossen, damit ihnen der Umstieg auf den ÖPNV erleichtert wird.

Angesichts dieser Rahmenbedingungen haben wir bei unseren Haushaltsanträgen einmal mehr ganz bewusst auf große und „visionäre“ Vorschläge verzichtet. Solche Vorschläge erregen zwar Aufsehen, weil große Summen im Raum stehen, aber das Geld fließt oft nicht ab, erzielt also zunächst wenig Wirkung.

Ein Beispiel: In den Beratungen zum Doppelhaushalt 22/23 hat der Gemeinderat beschlossen, für die "Klimaneutrale Sanierung städtischer Gebäude" ab dem Jahr 2023 ein Budget in Höhe von 50 Millionen Euro pro Jahr bereitzustellen.

Wir Freie Wähler standen und stehen diesem hohen Betrag kritisch gegenüber, weil wir davon ausgehen, dass das Budget aufgrund der Auslastung der städtischen Bauämter und aufgrund fehlender Handwerker gar nicht verbaut werden kann.

Da uns bis jetzt nicht gesagt werden konnte, was mit dem Geld finanziert wurde und wie viel davon abgeflossen ist, erwarten wir Aufklärung im Laufe der Beratungen.

Der Kritik, dass der Haushaltsentwurf viele Lücken aufweist, schließen wir Freie Wähler uns an. Mit unseren Anträgen wollen wir offensichtliche Mangelsituationen kenntlich machen und einige dieser Lücken durch die Bereitstellung der benötigten Gelder schließen.

Als besonders prägnantes Beispiel für eine Lücke will ich die Neubau- und Erweiterungsvorhaben für Stuttgarter Schulen nennen. Nicht ein einziges Projekt aus diesem Bereich hat es aus der Anmeldeliste der Ämter auf die Grüne Liste geschafft. Dabei umfasst die Liste der Schulbauvorhaben zahlreiche Projekte und ist noch lange nicht abgearbeitet.

Nachdem das Schulbauprogramm durch Stellenschaffungen in früheren Haushaltsplanberatungen und dem mühsamen Aufbau von personellen Ressourcen beim Schulverwaltungs- und beim Hochbauamt nun endlich Fahrt aufnimmt, darf es keinesfalls durch fehlende finanzielle Mittel ausgebremst werden!

Wenn uns Bildungsgerechtigkeit ein hohes Ziel ist, dann muss die Stadt als Schulträger liefern und für zeitgemäße und ordentliche Schulgebäude sorgen. Deshalb wollen wir Freie Wähler die Gelder für die wichtigen Schulneubau- und Erweiterungsvorhaben im kommenden Doppelhaushalt unbedingt zur Verfügung stellen.

Das Thema Bildungsgerechtigkeit führt direkt zur nächsten Großbaustelle: Dass die Kitabauten in der Grünen Liste sind, freut uns. Angesichts der Mangelverwaltung bei Betreuungsplätzen halten wir es aber für notwendig, dass nicht nur Kitas gebaut werden, sondern auch viel unternommen wird, um die freien Träger, auf die die Stadt bei der Kinderbetreuung dringend angewiesen ist, auskömmlich zu finanzieren. Wir halten an unserem langjährigen Ziel fest, die freien Träger bei den Fachpersonalkosten mit 100 Prozent zu fördern, und hoffen natürlich, dass wir diesem Ziel näherkommen werden.

Was uns Freie Wähler ebenfalls beschäftigt, ist der Zustand der Verkehrsinfrastruktur. An der Sperrung der Rosensteinbrücke in Bad Cannstatt, den Schäden an weiteren Brücken und am Zustand von Straßen, Wegen und Plätzen kann man gut erkennen, dass der Pflege und dem Erhalt der Verkehrsinfrastruktur dringend eine höhere Priorität eingeräumt werden muss. Deshalb wollen wir mehr Geld in den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur investieren und die Budgets des Tiefbauamts erhöhen. In unseren Anträgen für das Tiefbauamt geht es aber nicht allein um den Straßenbau, sondern auch um Maßnahmen in den Bereichen Klimaanpassung, Energieeinsparung, Sicherheit und Barrierefreiheit, also beispielsweise um Brunnen und Wasserspiele, Hochwasserschutz oder um taktile Leitlinien für sehbehinderte und blinde Menschen.

Mit dem Ziel, den Bestand an Bäumen und Hecken im Stadtgebiet zu pflegen, haben wir finanzielle Mittel zur Fortsetzung des Klimawandel- Anpassungskonzepts im Zuständigkeitsbereich des Garten-, Friedhofs- und Forstamts beantragt. Denn ausgerechnet die Maßnahmen zum Erhalt des Baumbestandes durch kontinuierliche Nachpflanzungen und die dringend erforderliche Intensivierung der Pflege von Jung- und Bestandsbäumen, Baumquartieren und Obstbäumen sind nicht in der Grünen Liste enthalten.

Damit das Amt seinen vielfältigen Aufgaben nachkommen kann, haben wir zudem Mittel für die Neugestaltung von Kinderspielplätzen, die Sanierung von Grünanlagen, die Instandhaltung und Weiterentwicklung der Friedhöfe sowie zum Neubau von Betriebsgebäuden und zur Beschaffung von Arbeitsmaschinen und Fahrzeugen beantragt.

Den Klimaschutz und die Energiewende wollen wir Freie Wähler durch die Unterstützung der Förderprogramme im Energiebereich voranbringen. Neben den Förderprogrammen „Wärmenetzanschluss“, „Solaroffensive“, „Beleuchtungssanierung“ und „Wärmepumpen“ wollen wir auch das Heizungsaustauschprogramm fortsetzen und Geld für kostenfreie Energieberatungen bereitstellen. All diese Maßnahmen können und sollen Hauseigentümer dazu motivieren, ihre Gebäude in einen klimafreundlichen Zustand zu versetzen.

Wenn wir in diesem Bereich vorankommen wollen, brauchen wir zudem mehr gut ausgebildete Handwerker. Ohne diese Handwerker werden Energieeinsparung, mehr Klimaschutz und Klimaanpassung im Gebäudesektor nicht möglich sein. Deshalb unterstützen wir die Aktivitäten der Kreishandwerkerschaft Stuttgart, mit denen vor allem mehr Schulabgänger für das Handwerk gewonnen werden sollen.

Wichtig ist uns Freien Wählern einmal mehr die Feuerwehr. Die Vorkommnisse der letzten Jahre haben gezeigt, welche Bedeutung dem Katastrophenschutz und damit auch der Berufsfeuerwehr und der Freiwilligen Feuerwehr zukommt. Dieser Bedeutung wird die Grüne Liste nicht einmal ansatzweise gerecht, weil selbst unerlässliche Lehrgänge oder die Dienst- und Schutzkleidung für die zusätzlichen Feuerwehrleute, die derzeit eingestellt werden, nicht im Haushaltsentwurf enthalten sind.

Klar ist auch, dass die Mittel für die Planung des Führungszentrums für Sicherheit und Gefahrenabwehr im Neckarpark und für die Sanierung und den Neubau von Gerätehäusern der Freiwilligen Feuerwehr bereitgestellt werden müssen. Die Reinigung der Feuerwehrhäuser, die die Freiwillige Feuerwehr bisher in Eigenregie und auf ehrenamtlicher Basis erledigt, soll künftig ausgeschrieben und vergeben werden. Auch dafür haben wir Gelder beantragt.

Was wir ebenfalls fortsetzen und verbessern wollen, ist die Förderung des Ehrenamts bei der Feuerwehr. Neben der Bereitstellung von Mitteln für den sogenannten Digital-Pakt II, für die Förderung von Kinder- und Jugendgruppen oder die Erhöhung des Sachkostenzuschusses für die Brandschutzerziehung, liegt uns Freien Wählern die Anpassung der Feuerwehr-Entschädigungssatzung besonders am Herzen.

Wir erwarten, dass die Verwaltung unserem Antrag vom 14. März nachkommt und dem Gemeinderat einen konstruktiven Vorschlag zur Anhebung der Aufwands-, Einsatz- und Funktionsentschädigung vorlegt.

Neben vielen anderen Vorhaben und Maßnahmen im Sportbereich, wollen wir auch diesmal wieder finanzielle Mittel für die Instandsetzung von Schwimmbädern und den Ausbau der Wasserfläche im Haushalt bereitstellen. Seit der Schließung des Stadtbades in Bad Cannstatt und des Schwimmbeckens im Pflegestift Münster sind die Wege zum nächsten Schwimmbad und zum nächsten Schwimmkurs für viele länger geworden. Dem Vorschlag des Schwimmvereins Cannstatt, beim Mombach-Bad ein Lehrschwimmbad namens „Mombach Water Cube“ zu errichten, wollen wir deshalb gerne zum Erfolg verhelfen.

Wie Sie sehen, haben wir uns einige Schwerpunkte vorgenommen, mit denen wir in die Beratungen gehen. Zu vielen anderen Themen gibt es ebenfalls Anträge von uns, zu manchen aber auch nicht, weil wir nicht zu jedem Thema Anträge stellen konnten. Im Rahmen der Lesungen werden wir sicherlich dem einen oder anderen Antrag der anderen Fraktionen zu einer Mehrheit verhelfen, was ja auch im Sinne der Beratungen ist! Einen Antrag zum Stellenplan werden wir noch nachreichen.

Gestatten Sie mir zum Ende meiner Rede noch einige kritische Anmerkungen zum Verfahren der Haushaltsplanberatungen. Nicht nur wir Freie Wähler haben den Eindruck, dass jetzt noch einmal alles wesentlich aufwendiger und unübersichtlicher ist, als es das bei früheren Haushaltsplanberatungen war.

Allein die Fülle von über 200 haushaltsrelevanten Mitteilungsvorlagen, von denen es vor zwei Jahren etwa 100 gab, und die fast 100 Seiten starke Rote Liste machen deutlich, dass es zumindest für kleine Fraktionen kaum zu schaffen ist, die Unterlagen zu sichten und zu erfassen.

Die formalen Anforderungen, die von der Kämmerei neu hinzukamen, führten teilweise zu einem erheblichen zeitlichen Mehraufwand, zu mehr zweiseitigen Anträgen und auch zu Problemen mit der Technik. Außerdem sind manche der Mitteilungsvorlagen leider so gestaltet, dass man sich darin nur schwer zurechtfindet.

Da alle – von der Kämmerei über die Ämter und Referate bis hin zu den Fraktionsgeschäftsstellen und uns Stadträten – unter der immensen Arbeitsbelastung leiden, plädieren wir Freie Wähler für ein konstruktives Nachdenken, wie die Vorbereitungen für die Haushaltsplanberatungen künftig deutlich einfacher und mit weniger Zeitaufwand gestaltet werden können.

Zum Schluss meiner Rede geht ein herzliches Dankeschön

  • an den Sitzungsdienst,
  • an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Haushaltsanträge ins System brachten,
  • an die Stadtkämmerei
  • und an alle anderen Beteiligten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !