Bürgerräte können eine wichtige Bereicherung sein – aber nur, wenn sie gut gestaltet werden!


Antrag vom 08.08.2023

Bundesweit gibt es aktuell zahlreiche Bürgerräte zu den unterschiedlichsten Themen der Politik und Gesellschaft. In Stuttgart wurde dieses Format jetzt erstmals als Bürgerklimarat mit großer gesellschaftlicher, politischer und medialer Wahrnehmung durchgeführt.

Bürgerinnen und Bürger, die sich für die Belange ihrer z. B. Stadt tatkräftig einsetzen, sind ein großer Gewinn für alle. Aus diesem Grund sehen wir als CDU-Gemeinderatsfraktion und Freie-Wähler-Gemeinderatsfraktion den Bürgerklimarat der Stadt Stuttgart positiv, konnten repräsentative Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt in diesem Bereich doch direkt äußern, welche Vorhaben sie beim Klimaschutz als besonders wichtig ansehen und welche eher als nicht förderlich für das Ziel der Klimaneutralität. Bürgerräte mit repräsentativ ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern sind immer besser als Bürgerbeteiligungen, bei denen meist nur die "Beteiligungsblase" einer Stadt zur Diskussion erscheint.

Wichtig ist uns aber immer bei allen diesen Bürgerbeteiligungsformaten, dass es sich nur um eine beratende Stimme für die gewählten Volksvertreterinnen und Vertreter handeln kann und niemals darum, den demokratisch gewählten Parlamenten die Entscheidung abzunehmen.

Um jeglichem Bürgerrat und deren Beratungsergebnissen eine hohe Integrität in der Gesellschaft und Politik zu verleihen, bedarf es absoluter Neutralität bei der Auswahl der repräsentativen Bürgerinnen und Bürger sowie bei der Organisation und Durchführung des Bürgerratsverfahrens. Ob Koordinierungsstelle der Stadtverwaltung, externe begleitende Kommunikationsbüros oder weitere externe Dienstleister, alle mit der Organisation und Durchführung betrauten Personen und Organisationen müssen in Bezug auf das jeweilige Thema eines Bürgerrats absolut neutral sein und handeln. Empfehlungen eines Bürgerrats dürfen am Ende nicht unter einer Diskussion bezüglich der Neutralität des Verfahrens leiden, weil dadurch Ergebnisse in ihrer Aussagekraft abgeschwächt oder angezweifelt werden können.

Mit Blick darauf, dass wir als Stadt Stuttgart künftig weitere Bürgerräte zu unterschiedlichen Themen einrichten werden, haben wir uns das Verfahren unseres Bürgerklimarats genauer angeschaut.

Leider mussten wir bei unserer Hintergrundrecherche feststellen, dass es nach unserer Einschätzung einige Kritikpunkte in Bezug auf die Neutralität der beteiligten Personen und Organisationen des Bürgerklimarats gibt. Ziel unserer Hinweise und Fragen ist es, einen kommenden Bürgerrat als Organisator noch professioneller zu organisieren.

Um die Organisation des Bürgerklimarats aufzuarbeiten, bitten wir die Verwaltung, folgende Fragen in einer der nächsten Verwaltungsausschusssitzungen (sowie schriftlich) zu beantworten:

  1. Warum betraute die Verwaltung mit der Organisation des Bürgerklimarats einen städtischen Mitarbeiter, der nach unserer Wahrnehmung offensichtlich Sympathisant oder Mitglied von"Fridays-for-Future" ist?
  2. Wieso entspricht die Stichprobenauswahl für Bürgerinnen und Bürger in den Bürgerklimarat nicht den Regeln demokratischer Wahlen? Die Gruppe der 16-18-Jährigen haben zusätzliche Sitze im Bürgerrat erhalten, um für die 0-15-Jährigen zu stimmen? Bei Wahlen bekommen ja z. B. auch nicht die Eltern oder Geschwister jüngerer Kinder deren Stimmrecht übertragen. Repräsentative Umfragen belegen, dass sich Jugendliche besonders mit dem Klimaschutz auseinandersetzen, dadurch erweckt die forcierte Gruppe der Jugendlichen den Eindruck, die Empfehlungen des Bürgerklimarats sollen verstärkt pro Klimaschutz ausfallen.
  3. Warum wurde ein Kommunikationsbüro als "neutraler" Koordinator ausgewählt, welches offensichtlich eine exponierte Position beim Thema Klimaschutz hat? Das Büro stellt z. B. nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein, die sich klar zur Nachhaltigkeit bekennen und Klimaschutzgruppierungen dürfen kostenlos deren Büroräume nutzen. Darüber hinaus hatte das Unternehmen im Jahr 2021 die Absicht, dem "Klimabündnis Baden-Württemberg" beizutreten und sie sind vom grün geführten Umweltministerium beauftragt, einen Social-Media-Auftritt des Ministeriums zu betreuen ("wirerntenwaswirsaeen"), der sich mit Klimaschutz beschäftigt.
  4. Wieso wurde mit den Psychologen von "Psychologists4Future" ein externer Dienstleister zur Vermittlung von Kommunikationstechniken engagiert, die augenscheinlich politisch in ihrer Arbeit nicht neutral sind? In einem ihrer Postings auf Instagram sehen sie aufgrund der Fridays-for-Future Bewegung und den damit verbundenen Siegen von grünen Parteien bei Wahlen endlich die potenzielle Chance für einen radikalen politischen Wandel.
  5. Warum gab es bei den Entscheidungsoptionen für die Mitglieder des Bürgerklimarats bei den Schlussabstimmungen zwei Ja-Antwortmöglichkeiten ("Ja", und "Ja mit Bedenken") pro Klimaschutzideen und nur eine "Nein"-Antwortmöglichkeit? Das Setting erweckt den Anschein, dass es das Ziel war, eine Mehrheit für Zustimmung zu den diskutierten Vorschlägen zu erzielen.
  6. Wieso ist die Auswahl der dem Bürgerrat vortragenden Vereine, Organisationen und NGOs so unausgewogen pro Klimaschutzgruppen ausgefallen? Ein unausgewogenes Setting bietet den Kritikpunkt, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Bürgerklimarats in eine Denkrichtung lenken zu wollen.
  7. Warum erfolgte die Auswahl der teilnehmenden Expertinnen und Experten nahezu nur auf einer Forschungsebene? Es fehlen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Forschungsfeldern wie z. B. der Sozialwissenschaften oder Wirtschaftswissenschaften, um alle Auswirkungen von Maßnahmen aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten zu können.
  8. Wieso nutzt die Stadt Stuttgart auf ihren Internetseiten zum Bürgerklimarat den Begriff "Klimakrise"? In einer wertneutralen Kommunikation wäre das Wort "Klimawandel" objektiver.

Fortführend beantragen wir:

Die Stadtverwaltung stellt den Fraktionen bei einem zukünftigen Bürgerrat rechtzeitig vor Beginn des Verfahrens – in der Planungsphase – detaillierte Hintergrundinformationen über alle Akteure zur Verfügung, welche am Prozess mitwirken sollen.

Wir möchten betonen, dass wir es natürlich begrüßen, dass die in unserem Antrag erwähnten Personen, Unternehmen und Organisationen sich für den Klimaschutz einsetzen und bei diesem wichtigen Thema aktiv sind. Schön wäre es, wenn sich noch mehr Personen und Unternehmen diesbezüglich einbringen würden. Aufgrund der Besonderheit von Bürgerräten halten wir es aber für notwendig, dass in der Organisation und Durchführung nur Personen und Unternehmen beauftragt werden, die eine absolute Neutralität zum Thema des jeweiligen Bürgerrats haben.