Antrag vom 22.06.2020
Ein schrecklicher und menschenverachtender Akt der Polizeigewalt in den USA hat einen weltweiten Protest gegen den Rassismus ausgelöst und auch hier in Stuttgart dazu beigetragen, dass viele tausend Menschen auf die Straße gegangen sind, um zu protestieren. Dabei dienen die Demonstrationen v.a. als Solidaritätsbekundungen für rassistisch diskriminierte Personen und als Bekundungen für eine inklusive Gesellschaft auf der Basis von gemeinsamen Werten und Normen, wie es unser Grundgesetz vorsieht.
Ungeachtet dessen, dass diese Demonstrationen aus Sicht des Infektionsschutzes bisher höchst fragwürdig verlaufen sind, sind sie dennoch das Zeichen dafür, dass auch in Stuttgart lebendig diskutiert wird. Nicht umsonst gilt Stuttgart als Paradebeispiel für Integration und Zusammenleben. Ein Ergebnis der gemeinsamen Kraftanstrengungen von Stadtverwaltung, Wirtschaft, Kultur und Zivilgesellschaft.
Zugleich stellen wir uns entschieden dagegen, aus Gründen der politischen Ideologie und im Namen der richtigen Sache, nämlich des Kampfes gegen den Rassismus, pauschalisierende Aussagen gegenüber deutschen Polizeibeamten zu formulieren oder gar, wie auf spontanen Folgedemonstrationen in Stuttgart geschehen, Gewalt gegen die Polizei auszuüben. Gerade die Verwaltung und die Kommunalpolitik tragen gemeinsam Verantwortung dafür ein klares Signal zu senden: Der Kampf gegen Rassismus ist kein Kampf gegen diejenigen, die uns tagtäglich beschützen. Es ist ein gemeinsamer Kampf, den jeder bei sich selbst antreten muss.
Gerade weil Geschichte immer im Kontext ihrer Zeit betrachtet werden muss, um wichtige und richtige Schlüsse für das Heute und für das Morgen zu ziehen, obliegt es allen Bürgerinnen und Bürgen, sich selbst zu informieren und Gedanken zu machen. Geschichte kann nicht einfach verdrängt werden - so schön oder so unschön sie sein mag. Sie ist immer ein Teil der menschlichen Entwicklung und Begleiter des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Wenn daher der Ruf laut wird, den Bismarckplatz oder die Hanns-Martin-Schleyer-Halle umzubenennen, dann ist dies allen voran der Ruf nach der Umschreibung der Geschichte.
Wir glauben, dass wir uns auch in Stuttgart mit unserer Geschichte auseinandersetzen müssen. Sachlich und unaufgeregt - vor allem aber vor dem Hintergrund, dass die mündigen Bürgerinnen und Bürger selber darüber entscheiden sollten, was sie mit der Geschichte anfangen wollen. Dafür braucht es historische Fakten und Informationen. In diesem Sinne ist es angebracht, am Bismarckplatz und an der Hanns-Martin-Schleyer-Halle sowie an weiteren Orten unserer Stadt eine historische Einordnung zu ermöglichen, statt Geschichtsvergessenheit zu praktizieren. So kann bspw. der Bismarckplatz ein Ort des kritischen Denkens werden, statt der Kulturrevolution.
In dieser Konsequenz wäre ein enormer Mehrwert geschaffen, wenn eine Prüfkommission (welche durchaus in der Debatte schon angedacht wurde) nicht konkrete Umbenennungen der Verwaltung vorschlägt, sondern vielmehr dem Gemeinderat einen Vorschlag unterbreitet, an welchen Orten des Stadtgebiets eine kritische Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Namen bzw. der Persönlichkeit notwendig ist.
Deshalb beantragen wir: