4. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Stuttgart - Anhörung


Antrag und Anfrage vom 17.09.2019

Grundsätzlich begrüßen und unterstützen wir Freie Wähler viele der Bemühungen von Stadt, Land und weiteren Akteuren zur Luftreinhaltung in Stuttgart. Wie im Entwurf des Regierungspräsidiums zur 4. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Stuttgart und in der Vorlage Nr. 848/2019 des Oberbürgermeisters zu lesen ist, zeigen die ergriffenen Maß- nahmen Wirkung (siehe zum Beispiel Kapitel 3.6 oder 4.1 des Entwurfs zur 4. Fortschrei- bung des Luftreinhalteplans sowie Seite 2 der GRDrs 848/2019). Im zweiten Absatz von Kapitel 6 des Entwurfs zur 4. Fortschreibung des Luftreinhalteplans ist folgendes zu lesen: "Dass die Prognosen der Gutachter für die Jahre 2019 und 2020 eher einen konservativen Ansatz verfolgen, zeigen die tatsächlich gemessenen Werte an den Messstellen. Am Neckartor und an der Hohenheimer Straße liegen die Halbjahresmittelwerte für 2019 bereits in dem Bereich, wie sie für 2020 berechnet wurden (Prognose bei ca. 55 μg/m3). Dabei sind noch keine Wirkungen der Busspur und der Filtersäulen eingegangen."

Zu den einzelnen Maßnahmen, die der Entwurf zur 4. Fortschreibung des Luftreinhalteplans vorsieht, nehmen wir wie folgt Stellung:

M1, Einzelstreckenverkehrsverbot

Vor dem Hintergrund der oben genannten und zitierten Auszüge aus dem Entwurf zur 4. Fortschreibung des Luftreinhalteplans und vor dem Hintergrund, dass

  1. erst seit Januar/April 2019 ein Fahrverbot für Diesel schlechter Abgasnorm Euro 5/V in der gesamten Umweltzone Stuttgart gilt,
  2. Software-Updates und Hardware-Nachrüstungen für Diesel-Fahrzeuge erst langsam greifen,
  3. eine Flottenerneuerung (technischer Fortschritt) bzw. Flottenveränderung zugunsten neuerer Dieselfahrzeuge oder des Benzinmotors eingesetzt hat und
  4. die VVS-Tarifreform erst seit April 2019 in Kraft ist,

halten wir die vorgesehene Maßnahme M1 für verfrüht, für unverhältnismäßig und für überzogen.

Die Maßnahme M1 wird dazu führen, dass die Stuttgarter Innenstadt für Dieselfahrzeuge schlechter Abgasnorm Euro 6/VI fast nur noch über Neben- und Ausweichstrecken zu erreichen sein wird. Das wiederum wird zu Mehrbelastungen an anderen Stellen/Straßen im Bereich der Innenstadtbezirke führen. Ein Durchqueren der Innenstadt mit Dieselfahrzeugen schlechter Euro 6/VI wird kaum mehr in einer vertretbaren Zeit möglich sein. Somit kommen die vorgesehenen streckenbezogenen Fahrverbote einem flächendeckenden Fahrverbot fürden Bereich der City gleich. In der vorgeschlagenen Maßnahme kann man deshalb den Einstieg in ein flächendeckendes Fahrverbot sehen, was wir rundweg ablehnen. Im Übrigen möchten wir an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die Landesregierung während des Kommunalwahlkampfes 2019 mehrfach beteuert hat, dass es zu keinen Fahrverboten für Dieselfahrzeuge mit Abgasnorm Euro 5/V kommen wird.

Die Maßnahme M1 lehnen wir ab.

M2, Geschwindigkeitsbegrenzung auf 40 km/h

In der Tat ist die räumliche Abgrenzung dieser Maßnahme im Entwurf zur 4. Fortschreibung des Luftreinhalteplans nicht ausreichend genau definiert (siehe auch GRDrs 848/2019, Seite 7, a)). Zudem stellt sich für uns die Frage, welches Ziel diese Maßnahme wirklich verfolgt - eine Verflüssigung des Verkehrs und damit eine Reduzierung von Emissionen oder doch eine generelle Verkehrsmengenreduzierung durch "Vergrämung" von Autofahrern? Zu be- grüßen ist die Maßnahme M2 nur dann, wenn sie zu einer Verflüssigung und Verstetigung des motorisierten Individualverkehrs beiträgt und dabei Busse und Bahnen nicht behindert.

M3, Aufstellen von Filtersäulen

Dieser Maßnahme stimmen wir zu.

M4, Ausbau des Parkraummanagements

In Bezug auf die Maßnahme M4 stimmen wir der Stellungnahme der Stadtverwaltung (siehe GRDrs 848/2019, Seite 8) zu.

M5, Geschwindigkeitsbegrenzung auf der B27 als Zulaufstrecke zur Hohenheimer Straße

Dieser Maßnahme stimmen wir zu.

Wir fragen:

  1. Fragen zur vorgesehenen Maßnahme M1:
    1. In der Präsentation "LRP_Verkehrsbeschränkungen_Zwischenstand_20190604.pdf", die Herr Dr. Münter den Fraktionen am 11.09.2019 per E-Mail übersandte, ist auf Seite 3 zu lesen, dass im Bezugsjahr 2020 7% der Pkw aus Stuttgart und 10% der Pkw aus der Region sowie 36% der Nfz <3,5 t von den streckenbezogenen Fahrverboten (M1) betroffen seien. Um wie viele Fahrzeuge handelt es sich dabei in absoluten Zahlen?
    2. Welche Auswirkungen wird die vorgesehene Maßnahme M1 nach Einschätzung der Stadtverwaltung auf Handel und Gewerbe, auf kulturelle Einrichtungen sowie auf den Tourismus in der Stuttgarter Innenstadt haben?
    3. Gibt es keinerlei Alternativen zur vorgesehenen Maßnahme M1?
  2. Fragen zur vorgesehenen Maßnahme M2:
    1. Wird die Maßnahme M2 aus Sicht der Stadtverwaltung zu einer Verflüssigung und Verstetigung des Verkehrs führen oder das Straßennetz sowie Busse und Bahnen weiter belasten (mehr Staus)?
    2. Wird es nötig sein, Ampelschaltungen anzupassen, um die Maßnahme M2 umsetzen zu können?
    3. Welche konkreten Auswirkungen wird die Maßnahme M2 auf die Bus-, Stadt- und S-Bahn-Linien haben?
    • Wenn davon ausgegangen wird, dass durch die Maßnahme M2 mehr Menschen auf Bus und Bahn umsteigen, reichen dann die momentan vorhandenen Kapazitäten? Oder werden die Busse und Bahnen dann noch voller?
    • Werden mehr Fahrer und/oder mehr Busse, Stadt- und S-Bahnen benötigt?
      Seite 2Wenn ja, wie viele?
  3. Um innerhalb der Region Stuttgart ein frühzeitiges Umsteigen vom Pkw auf Busse und Bahnen zu fördern und zu ermöglichen, sind multimodale Knotenpunkte erforderlich. In den letzten Jahren wurde daher viel über den Ausbau der P+R-Anlagen in der Region Stuttgart gesprochen.
    1. Welche Fortschritte wurden beim Ausbau von P+R in der Region Stuttgart in den letzten 5 Jahren konkret erzielt (Zugewinn an Stellplätzen in Zahlen)?
    2. Gibt es eine Zunahme bei der Nutzung von P+R-Anlagen (Zugewinn an P+R-Nutzern in Zahlen)?

Wir beantragen, den Beschlussantrag der GRDrs 848/2019 entsprechend unseren oben gemachten Angaben abzuändern.

Als weitere Maßnahmen im Sinne der Luftreinhaltung beantragen wir

  1. mehr Einsatz der Stadt zur Verflüssigung und Verstetigung des motorisierten Individualverkehrs (MIV). Ampelanlagen sollen autonom, bedarfsgerecht und mittels entsprechender Technik (Kameras, Kontaktschleifen, etc.) für einen flüssigeren Verkehr sorgen und bei Bedarf auch längere Warteschlangen zügig abfließen lassen.
  2. eine Verkehrszählung im Stadtbezirk Stuttgart-Mitte (ggf. im Bereich der fünf Innen- stadt-Bezirke), die Aufschluss darüber gibt, wie viele Fahrzeuge den Stadtbezirk (die Stadtbezirke) nur durchqueren, um an andere Ziele innerhalb und außerhalb der Stadt zu gelangen. Dies mit dem Ziel, die tatsächliche Menge des reinen Durchgangsverkehrs endlich verlässlich erfassen und quantifizieren zu können, um darauf aufbauend Mög- lichkeiten zu suchen, wie dieser Durchgangsverkehr aus der City (den Innenstadt- bezirken) herausgehalten werden kann.